2009 bin ich bereits meinen ersten 100 km Ultra Trail gelaufen, und im selben Jahr mit Michael Becker den Teufelsgrat am Mont Blanc du Tacul geklettert. Beim Teufelsgrat lernte ich erstmals den Unterschied zwischen dem Wilden Kaiser und dem Klettern im Hochgebirge kennen. Ich weiß nicht mehr wie es sich ergab, aber Herwig Zlöbl nahm mich mit zum Walkerpfeiler. Als er mich fragte, zögerte ich keinen Moment, denn ich wollte schon längst meine alpinen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Ich war froh mit Herwig unterwegs zu sein, denn er war deutlich erfahrener als ich. Wir reisten gemeinsam an. In Chamonix gewitterte es heftig, und es gab einiges an Neuschnee oberhalb von etwa 3500m.
Tags darauf zeigte sich das Wetter von seiner schönsten Seite und wir konnten beim Zustieg zur Leschaux Hütte regelrecht zusehen, wie der Schnee aus der Wand schmolz. Dabei bedachten wir jedoch nicht, dass das Wasser nicht gleich verdunsten, sondern über Nacht gefrieren würde. Delphine, die Hüttenwirtin bewirtete uns herzlich. Gegessen wird bei der kleinen Hütte auf der Terrasse.
In der Nacht ging es los. Wir kletterten über die Leitern zum Leschaux Gletscher hinunter, und stiegen zum Wandfuss auf. Herwig machte den Anfang. Unsere Steigeisen kratzten über den Fels und erzeugten Funken. Ich war froh, dass ich diese Länge nicht vorsteigen musste. Wir kletterten überschlagen weiter. So langsam wurde es hell, und die ersten Sonnenstrahlen erreichten uns am Pfeiler.
Zufällig, und zum Glück erwischte Herwig die Schlüsselstelle, den „Rebuffatriss“. Eigentlich schön zum Klettern, zögerte ich mit dem schweren Rucksack jedoch nicht lange mich an dem fixen Keil hochzuziehen, welchen ich dabei allerdings unwissend abbaute. Kurz darauf folgte die berühmte 75m Verschneidung. Eine mächtige Verschneidung, heftig vereist. Ich war an der Reihe. Rücksichtslos hackte ich das Eis aus dem Riss um irgendwie einen „Camalot“ zu legen. Als wir aus der Verschneidung ausstiegen, hörten wir einen Hubschrauber, der immer lauter wurde. Er flog direkt zur Wand und holte die zwei Polen unter uns raus. Später erfuhren wir, dass einer von ihnen gestürzt war, und sich den Knöchel gebrochen hatte. Es folgten weitere schöne Passagen, bis ich zu einer Querung kam. Da ich mir über den Weiterweg nicht sicher war, ließ ich Herwig den Vortritt. Wir querten und seilten ein Stück ab. Wir kletterten noch ein Stück weiter, dann kam das Quarzband unter dem grauen Turm. Es dämmerte bereits, und wir beschlossen dort unser Biwak aufzuschlagen. Herwig kletterte noch eine Seillänge hoch und fixierte das Seil, als zusätzliche Sicherung, und damit wir es am nächsten Morgen leichter haben würden. Unser Biwak richteten wir auf dem Band ein. Es bot ausreichend Platz zum Sitzen. Herwig schmolz Schnee und wir füllten unsere Trinkblasen auf. Dann verkrochen wir uns sitzend in unsere leichten Schlafsäcke und den Biwaksack. Allerdings mussten wir in dem rutschigen Biwaksack immer die Balance halten, um nicht von dem Band zu rutschen. In der Früh ertappten wir uns beide im Seil hängend.
Es gab Honigwaffeln zum Frühstück. Am T-Block kletterten wir an dem fixierten Seil hoch zum grauen Turm. Diese Seillänge war mit den kalten Fingern doch recht fordernd. Unermüdlich kletterten wir weiter, bis wir gegen Mittag zu den brüchigen Ausstiegslängen kamen. Gegen Nachmittag erreichten wir erleichtert, glücklich und zufrieden den Gipfel des Pointe Walker. Lange verweilten wir jedoch nicht, da wir wussten, wie zerklüftet der Gletscher ist. Wir sahen Stangen und dachten zuerst, es handle sich um Markierungen, und folgten ihnen ein Stück, bis wir bemerkten, dass es Vermessungspunkte waren. Also wieder zurück und den richtigen Weg suchen. Absteigend, kurz abseilend und wieder absteigend erreichten wir die Boccalatte Hütte. Dort gönnten wir uns eine wohlverdiente Cola bevor wir ins Val Ferret weiter abstiegen. Unten angekommen hatte alles geschlossen. Wir stellten uns an die Straße um zu trampen. Ein freundlicher Mann nahm uns in seinem Fiat Panda mit, und setzte uns vor dem Tunnel ab. Dort trampen wir weiter, wurden aber gleich geschimpft, da es verboten ist, vor dem Tunnel Auto zu stoppen. Aber es hatte bald jemand Mitleid, und nahm uns mit nach Chamonix. Wir aßen eine Pizza und waren zufrieden und stolz auf unsere vollbrachte Tat.